Die Einheit in der Vielfalt, nicht die Einfalt in der Vereinheitlichung!
Wieso ich die nationale/ethnische Identität für wichtig halte.

Ich komm nicht umhin, mich mit dem umstrittenen Thema -nationale bez. ethnische Identität- auseinanderzusetzen. Für viele liberal, kosmopolitisch, oder antirassistisch gesinnte Menschen, für Menschen also, die vor Begriffen wie Heimat, Heimattreue, und Nationalstolz, sowie vor Andreas Gabalier angewidert zurückschrecken, ist auch der Begriff der nationalen Identität ein rotes Tuch. Obwohl ich vermute, dass auch sie eine gewisse Heimatverbundenheit, ein positives Heimatgefühl verinnerlicht haben. Es ist allerdings ein inklusives Gefühl der Verbundenheit, im Gegensatz zum exklusiven der Nationalisten, die den Begriff der Heimatliebe gerne mit „Ausländer raus“ Parolen verbinden.

Im korrekten Mainstream wird also das Pflegen nationaler, ethnischer oder religiöser Identitäten als sehr anrüchig empfunden, das Hervorheben, oder Fördern nationaler oder ethnischer Identitäten gilt als Basis für Nationalismus und Rassismus. Schon allein deshalb, weil das Trennende, Abgrenzende zwischen den Völkern hervorgehoben wird und nicht das Einende. Das stimmt natürlich in gewissen Maßen. Jede Identität ist abgrenzend. Das ist das Wesen von Identität. Sie definiert Zugehörigkeit und Selbstbezug. Sie definiert die Verbundenheit zu sich selber und zu seinem Herkunftssystem. Ich bin ich und du bist du. Ich bin ein Mann 1,68m klein, bewege mich gern, lese gern, lache gern, bin heterosexuell und esse auch Fleisch. Ich bin außerdem Österreicher und Jude, bin ökologisch orientiert und Psychotherapeut. Du bist, wer auch immer, vielleicht eine Frau, vielleicht aus Bukarest, oder aus Granada, vielleicht auch nur aus Gänserndorf. Aber du bist auf jeden Fall anders. Du bist sicher nicht so, wie ich. Das ist Fakt, aber kein Grund den Anderen, die Andere abzulehnen. Im Gegenteil. Es könnte eine Begegnung sogar interessant machen.

Warum sollte man also Begriffe wie Zugehörigkeitsgefühl, Identität oder Heimatverbundenheit ablehnen? Begriffe, die emotional hoch besetzt sind und offensichtlich viele Bedürfnisse von Menschen ansprechen. Jeder Mensch will mit sich selber im Reinen sein, mit dem, was er ist, und wie er ist, und auch jeder will wo dazugehören. Das ist ein elementares menschliches Grundbedürfnis. Menschen wollen sich verbunden fühlen. Mit ihrer Familie, mit ihren Freunden, mit ihrer Clique. Wollen dazu gehören, Teil einer Gruppe (Clan, Familie, Horde, usw.) sein. Mitglied der Gruppe (Horde, des Clans) zu sein war früher eine existentielle Angelegenheit. Der Verstoß aus seiner Gruppe kam einem Todesurteil gleich. Das ist noch in uns gespeichert. Und so erleben wir auch heute noch, die Zugehörigkeit zu Gruppen als wichtiges menschliches Bedürfnis.

Es macht also wenig Sinn, bez. ist es kontraproduktiv, alle Formen von nationalen oder ethnischen Identitäten und Zugehörigkeiten abzulehnen. So wie es viele liberale, kosmopolitisch denkende Menschen tun. Wo sie doch sicher v.a. die Negativvarianten, wie exklusiven Nationalismus und vor allem Rassismus meinen. Fakt ist, dass mit den Begriffen der Identität und der Nation immer schon übelster Missbrauch getrieben wurde. V.a. von Populisten, Nationalisten und natürlich Rassisten. Meist in Personalunion. Nichts desto trotz halte ich das Pflegen nationaler, ethnischer oder religiöser Identitäten a priori nicht Rassismus fördernd. Genau so wenig, wie die Identitätspflege von Minderheitengruppen, wie Afroamericans, Lesben und Schwulen, oder andere geschlechtliche Minderheiten unmittelbar zu --ismen führen muss. Alle Menschen haben nicht nur das Recht auf die Pflege ihrer Eigenheiten und Eigenständigkeit, sondern viele haben eben auch ein großes Bedürfnis, sich in ihren Gruppen zu versammeln, ihre Rituale und Feste zu feiern, sich so auch von anderen zu unterscheiden, sich zugehörig zu fühlen, einen Sicherheits- einen Geborgenheitsort zu finden. Das muss nicht automatisch bedeuten, dass die Einen, die dazu gehören, sich über die Anderen, die nicht dazu gehören, erheben. Sie gar als minderwertiger erachten. Sie ausgrenzen. Mit ihnen nichts zu tun haben wollen. Sich dadurch vielleicht sogar besser fühlen. Verlockungen in diese Richtung gibt es allerdings viele. Dazu später noch einiges mehr.

Meine Grundthese lautet: Eine gelebte, gewachsene und gut integrierte!(x) individuelle, wie ethnische, nationale und/oder religiöse Identität, (sowie jede geschlechtliche bez. sexuell definierte Identität) ist ein wichtiger Bestandteil der Gesamtidentität eines Menschen und damit Teil seiner psychischen Struktur, die man als sein „Halt gebendes psychisches Stützsystem“ bezeichnen kann. Selbstsicherheit heißt hier auch: „sich seiner selbst sicher zu sein“ Seiner Stärken und Schwächen, seines Geschlechts, seiner sexuellen Orientierung. und heißt vor allem auch, sich in seiner familiären, ethnischen und religiösen Abstammung verankert zu fühlen. Heißt ein Bewusstsein über seine Herkunft zu haben. Heißt eine Verbindung, eine gute Beziehung zu sich und seinen Wurzeln zu besitzen. Ein sicheres, gut integriertes Zugehörigkeitsgefühl zu seiner Herkunftsgruppe bez. Neigungsgruppe gibt Rückhalt und ist auch mitverantwortlich für die „innere Stärke“ eines Individuums. Was für ein Einzelindividuum gilt, kann auch für Großgruppen, wie Völker, Nationen oder Religionsgemeinschaften gesagt werden: Das Pflegen und Leben ethnisch/nationaler, kultureller, oder religiöser Traditionen wird auch auf Großgruppen Ebene eine positive, stärkende Wirkung entfalten. Eine gut integriere(x) Identität grenzt also ab, aber sollte nicht ausgrenzen!

Ein kurzes Beispiel: Gastfreundschaft zu gewähren war fast in allen Kulturen und zu fast allen Zeiten ein hoher Wert. Und die angebotene Gastfreundschaft mit entsprechendem Respekt in Anspruch zu nehmen, auch. Besuche ich ein traditionelles Dorf irgendwo in Afrika, wo die Menschen noch nach ihren alten Riten und Regeln leben, wird man mir wahrscheinlich auch heute noch mit großer Neugier und allen Formen der gebotenen Gastfreundschaft begegnen. Komme ich im selben Land allerdings in ein der Großstadt vorgelagertes Slum, kann es durchaus sein, dass mir Steine entgegenfliegen, oder dass ich ausgeraubt werde.

Schaden richtet nicht das friedliche Pflegen religiöser, kultureller oder ethnischer Bräuche, wie Feste, Lieder Tänze, so wie das Befolgen alter Gebote an, sondern der Verlust und die Verrohung dieser Traditionen, und in weiterer Folge dann der politische Missbrauch dieser kulturellen Güter. Über diesen regelmäßigen Missbrauch von Werten wie Identität und Heimat, von Nation und Religion durch Populisten, Nationalisten oder von religiösen Scharfmachern kann man natürlich ständig klagen, viel interessanter ist es aber sich zu überlegen, wieso so viele Menschen immer wieder an den Punkt kommen, sich missbrauchen zu lassen.

Zwei Beobachtungen zuerst:

a) die politische Unterdrückung ethnischer nationaler und religiöser Manifestationen hat sich in der jüngeren Geschichte immer wieder destruktiv ausgewirkt. Der Drang vieler antirassistisch, antinationalistisch eingestellter Menschen Unterschiede zwischen Menschen, Ethnien oder Nationen zu verwischen, sie verschwinden lassen zu wollen, ist zwar im Angesicht der furchtbaren Verbrechen, die extremer Nationalismus, religiöser Fanatismus und Rassenhass schon angerichtet haben, verständlich. Doch dieses „Wir sind doch im Grunde alle gleich, darum haben wir uns auch alle lieb“ ist hauptsächlich eine Wunschvorstellung, vielleicht sogar eine gefährliche. Denn ich befürchte, dass solche Nivellierungsbestrebungen gerade das Gegenteil von dem bewirken, was sie erreichen wollen.

Erstens sind Menschen ganz offensichtlich nicht alle gleich. Es gibt individuelle Unterschiede zwischen uns, wie in unserem Aussehen, oder unseren Persönlichkeiten. Auch in unseren sexuellen Orientierungen. Wir haben verschiedene Temperamente und Begabungen und verschiedene Begehren. Und es gibt natürlich auch Unterschiede zwischen ethnischen Gruppen. Unterschiede in ihren kulturellen Ausprägungen, in den Sitten und Gebräuchen, in der Musik, und in der Religionsausübung. Und natürlich in den großen historischen Erzählungen.

Alle mir bekannten Versuche aus jüngster Vergangenheit religiöse od. ethnische Unterschiede zu nivellieren, sie politisch zu verwischen, oder gar zu unterdrücken, sind im Endeffekt ziemlich fehlgeschlagen. Oft mit fatalen Folgen. In der riesigen UdSSR, der Union der sozialistischen Sowjet Republiken, war bis auf folkloristische Sing und Tanzgruppen, die vor allem propagandistischen und touristischen Zwecken dienten, die Religionsausübung und die Pflege nationaler Identitäten jahrzehntelang untersagt. Und wurde brutal verfolgt. Kaum hatten sich die Repressionen etwas gemildert, ist die große Sowjetunion in viele kleinere und größere Nationalstaaten auseinandergebrochen. Und nationalistische und auch religiös-fundamentalistische Auswüchse haben sich dort Bahn gebrochen. Mit Mord und Todschlag und mit unheimlich viel Leid für viele Menschen. Ähnliches ist in Jugoslawien passiert. Unter dem Übervater Tito war das Pflegen nationaler Traditionen nicht gerne gesehen. Nach dem zweiten Weltkrieg mit all den grausamen Auseinandersetzungen der slawischen Völker nicht nur gegen die Deutschen Okkupanten, sondern auch untereinander, war das irgendwie verständlich. Nur dieses „wir sind alle gleich, wir sind eine einzige Jugoslawische Nation“ hat den Tod des alle einenden Übervaters Tito nicht lange überlebt. Herausgekommen ist ein unvorstellbar grausamer national- religiös Krieg, der das große vereinte Jugoslawien in mehrere Kleinstaaten auseinandergerissen hat. Der alle Völker wieder brutal getrennt hat. Und der einen teilweise fanatischen und blutigen religiös gefärbten Nationalismus wiederauferstehen ließ, den alle gerade in Europa für überwunden hielten. Nein, ich halte das Unterdrücken nationaler Identitäten, oder auch das gut gemeinte Nivellieren von Unterschieden für keine geglückte Strategie. In meinem Buch habe ich mich ausführlich damit auseinandergesetzt.

b) Auch die mangelhafte Integration von ethnischer oder religiöser Zugehörigkeit, wie sie z.B. häufig bei Jugendlichen mit Migrationshintergrund der 2. oder auch schon 3. Generation anzutreffen ist, kann sich destruktiv auswirken. Dieses "dazwischen Hängen" zwischen der mitgebrachten mehr oder weniger strengen Kultur und Lebensweise der Eltern und Großeltern, die teilweise auch nur halbherzig gelebt wurde, und den aktuellen meist viel lockeren und verlockenden Lebensbedingungen der westlichen Konsumwelt, muss Spannungen erzeugen. Es kommt zu Konflikten zwischen der Loyalität zu seinem Herkunftssystem, wie Familie, Kultur und Religion und zu den Peers aus den Gastländern. Oft führt das zu Auseinandersetzungen mit den Eltern. Gerade in der Adoleszenz finden wir, so wie bei allen Jugendlichen in dieser Entwicklungsphase, eine verstärkte Identitätssuche: wer bin ich? was macht mich aus? wohin will ich? was will ich im Leben erreichen? usw. Es kommt zu großen Unsicherheiten, und oft kommt es zu Neuorientierungen, bei einigen Jugendlichen führt es zu Hinwendung zu strengen und radikalen Interpretationen religiöser Formen und Lebensweisen, strenger und radikaler als sie es bei ihren Familien erfahren hatten. Oft wird diese Radikalisierung durch entsprechende religiöse Verführer angestoßen. Im Bethaus, in der Moschee, oder im Internet. Die Quellen sind reichhaltig. Für viele auf diese Art und Weise suchende Jugendliche stellt diese Entwicklung nur eine vorübergehende Phase dar, so wie bei Anderen vielleicht Drogenkonsum. Einige bleiben dort aber hängen. Sie finden eine neue Gruppe, eine neue Zugehörigkeit, eine neue Orientierung.

Der Wunsch zu einer Gruppe zu gehören, entspricht einem menschlichen Grundbedürfnis. Zugehörigkeit zu einer Gruppe gibt Rückhalt, gibt Sicherheit. Und gerade in Zeiten von politischen oder sozialen Unsicherheiten oder in persönlichen Unsicherheitsphasen, wird Sicherheit gesucht. Das nützen Drogen-, Nationalismus- und Religionsdealer gnadenlos aus.

Eine gut integrierte, also stärkende Identität dagegen, und die entsteht nicht irgendwie von außen, sondern muss von Kindheit an vermittelt, erarbeitet und gepflegt werden, grenzt ab, aber nicht aus. Denn gerade innere Stärken, wie ein sicheres Zugehörigkeitsgefühl, machen frei von Ängsten, zumindest von irrealen Ängsten, und das kann Menschen offener für Kontakte nach außen machen. Jemand, der in sich ruht und mit sich im Reinen ist, und dazu gehört im hohen Maße auch die Identität mit all ihren Puzzleteilen, der ist meist empfänglicher und neugieriger für Begegnungen mit Fremden. Und auch offener für Veränderungen. Dieser Mensch muss sich nicht abkapseln, verbarrikadieren, sich nicht in seinem Schrebergarten, oder hinter Thora, Bibel oder Koran verschanzen, sondern ist, zumindest fallweise, an einem Austausch mit dem Fremden interessiert. Seine Identität ist dann ein inklusive und keine exklusive!! Zumindest ist man zu einer respektvollen Haltung dem Fremden gegenüber fähig. Respektvoll heißt aber auch, wenn nötig, kritisch.

Man ist sich der Vielfalt bewusst. Heute in einem nie gewesenen Ausmaß. Man sieht und man erlebt sie. Und manches kann einem überfordern. Auch irritieren. Man braucht ja nicht alles gut finden, was einem begegnet. Und vielleicht muss man sich auch mit einigen Aspekten des noch Fremden kritisch auseinandersetzen. Nicht alles ist gut und nicht alles entspricht unseren moralischen und gesetzlichen Vorstellungen. Aber man kann auch schauen, neugierig sein, probieren und vielleicht sogar einige Alternativen und Anregungen für sein eigenes Leben annehmen. Sofern es passt. Man kann sich für viele auch neue Möglichkeiten entscheiden. Dann isst man nicht nur Leberkäsesemmel mit Gurkerl, oder ein Wr. Schnitzel mit Erdäpfelsalat, sondern auch ein „Döner mit alles“ oder ein Hühnercurry. Zumindest kostet man es. Und besucht ein Hamam, oder eine finnische Sauna. Das gilt natürlich auch umgekehrt. Das gilt für Alle. Für Einzelindividuen wie für Volksgruppen. Für Mehrheiten, wie für Minderheiten. Für Einheimische, sowie für Zugereiste.

Man kann Vielfalt genießen. Sofern es sie noch gibt. Und man ist ein ganz definierter Teil davon. Ohne Pflegen von nationalen, ethnischen, und kulturellen Identitäten gäbe es gar keine Vielfalt. Sondern nur mehr Monokulturen. Viele politisch korrekte Menschen haben, aus verständlichen Gründen, gerade zur nationalen bez. ethnischen Identität dieses sehr angespannte Verhältnis. Meist wollen sie Unterschiede zwischen Völkern und Nationen eher kleinreden, als anerkennen. Im Grunde sind wir doch alle nur Menschen.

Stimmt. Daran ist kaum zu zweifeln. Wir sind alle nur Menschen, die Kinder Gottes, sofern man daran glaubt, zumindest Schwestern und Brüder. Und wir sind alle (beinahe) gleich. Genetisch sowieso. Aber gut, genetisch gesehen ist auch der Unterschied zu den Menschenaffen nicht allzu groß. Doch würde niemand allen Ernstes behaupten wollen, dass wir und die Schimpansen gleich sind.

Selbst wir, die Alternativen, Liberalen, Korrekten, sind in unserem Gleichheitsbestreben nicht einmal sehr konsequent. Wir alle beobachten und unterstützen mit großer Sympathie die Bestrebungen des tibetischen Volkes, sich aus der brüderlichen Umarmung Chinas loszulösen und Autonomie zu erlangen. Wir unterstützen den Wunsch der Tibeter ihre EIGENE Kultur und ihre eigene Religion, eben ihre ganze kulturelle und nationale Identität, ungestört leben zu dürfen. Recht so. Den Tibetern sprechen wir also dieses Bedürfnis nach eigener nationaler Identität nicht ab. Im Gegenteil. Wir demonstrieren sogar mit ihnen für dieses ihr Recht. Weil wir sie offensichtlich sympathisch finden. Weil wir das, was der Dalai Lama, ihr geistiges religiöses Oberhaupt sagt, gerne hören. Weil es sich so wohltuend unterscheidet von anderen Dogmen, die uns umschwärmen. Weil es eben diesen Unterschied gibt!! Und weil wir natürlich auch nicht wollen, dass die "bösen" Chinesen die tibetischen Mönche unterdrücken. Und Alles gleichschalten wollen. Keiner würde allen Ernstes behaupten wollen, dass ein portugiesischer Fado und ein Wiener Lied gleich wären. Obwohl man durchaus Ähnlichkeiten entdecken könnte. Z.B. eine leicht depressiv jammernde Grundstimmung. Aber gerade das ist doch spannend, und auch gut so. Dass man innerhalb großer Unterschiede auch einige Ähnlichkeiten entdecken kann. Trotzdem möchte ich v.a. die Unterschiede nicht missen. Erst sie machen diese Welt reicher und spannender. Jeden Tag nur Vollkornmüsli zu essen, wäre vielleicht gesund, aber todlangweilig. Und immer nur in Birkenstocksandalen herumzulaufen ebenfalls. Das ist vor allem unerotisch. Ein knuspriges Wienerschnitzel, ein „Kebab mit alles“, ein spicy Hühnercurry, ein thailändischer Papayasalat das sind ein paar Glückseligkeiten auf die es auch ankommt. Ich bin mir ja nicht sicher, ob den meisten Korrekten klar ist, dass ihr Gleichheitsstreben auch der Mc. Donaldisierung dieser Welt Vorschub leistet. Wenn Traditionskaffeehäuser schließen müssen, dann klagen alle. Denn das bedeutet einen schmerzlichen Verlust nationaler Identität. Unserer Identität! Verdammt noch einmal, dann geht doch alle wieder mehr ins Wiener Kaffeehaus, statt ins Starbucks! Und jammert nicht, wenn wieder ein alteingesessenes Kaffeehaus schließen muss. Und versucht nicht alles gleich-machen zu wollen. Der einzige Gleichheitsgrundsatz, den ich für unumgänglich halte, lautet: den verschiedenen Kulturen gleichen Respekt zu erweisen, und gleiche (soziale, ökonomische, bildungs-) Chancen für alle Menschen zu schaffen!! Und dafür bedarf es noch ziemlich großer politischer Anstrengungen.

Unterschiede gehören unbedingt respektiert. Und manche gehören auch gepflegt. Ich möchte Menschen auf der Ich-Du-Ebene begegnen. Ich bin ich und du bist du, und wir sind verschieden. Nicht die Unterschiede zwischen Völkern und Religionen, zwischen Männern und Frauen, zwischen Homo-und Heterosexuellen sind das Problem, sondern die Art wie damit oft umgegangen wird. Nicht das PFLEGEN von Unterschieden ist schändlich, sondern das WERTEN von Unterschieden. Das Aufwerten der eigenen Gruppe und das Abwerten der Anderen. Und nicht das ABGRENZEN voneinander ist abzulehnen, sondern das AUSGRENZEN. Ethnische, nationale, oder religiöse Identitäten sind viel zu wertvoll, um sie rassistischen, nationalistischen, oder religiös-fundamentalistischen Scharfmachern zu überlassen. Und auch die kritische Auseinandersetzung mit Aspekten fremder Gepflogenheiten sollte besser in den Händen verantwortungsvoller, kritischer liberaler Bürger liegen, als von nationalistischen Scharfmachern ausgenützt zu werden. Man sollte ihnen diesen Raum gar nicht überlassen, indem man auf Kritik verzichtet. Der Wunsch zu einer Gruppe zu gehöre, wie Freundeskreis, Fanklub, Vereine usw. entspricht einem menschlichen Grundbedürfnis. Und in einem ganz hohen Maß betrifft das auch die ethnische bez. nationale Herkunft (sgruppe). Das ist ganz ähnlich, wie die Verbundenheit zu seiner Familie. Das Gefühl der Zugehörigkeit gibt Menschen Halt. Dieses Bedürfnis kann angenommen und in konstruktiver Weise erfüllt, oder missbraucht werden.

Wenn Menschen, v.a. verunsicherte Menschen, durch ganz reale oder auch nur eingebildete existentielle Ängste geplagt werden, wie z.B. Angst vor Jobverlust und sozialem Abstieg, dann brauchen und dann suchen Viele Halt und Sicherheit. Auch durch den verstärkten Rückzug auf die entsprechenden nationalen wie ethnischen Herkunftsgruppen. Und wähnen Menschen auch noch ihre Kultur oder ihre Religion durch Fremde bedroht, dann können sie ziemlich irrational reagieren. Weil Angst das Handeln dieser Menschen bestimmt. Und weil die Riege der populistischen Scharfmacher und Missbraucher dieser Welt genau da ihre Hebeln ansetzen. Indem sie Angst auch noch zusätzlich aufputschen. Indem sie Feindbilder schaffen und Bedrohungsszenarien beschwören. Dann sind Brexit, das sich Abschotten auf die eigene Insel, aber auch der IS logische Resultate. Und natürlich auch Donald Trump mit seinem "Amerika first".


(X) Integrieren/assimilieren: als psychologischer Begriff beschreibt Integration bzw. Assimilation den Prozess, wie ein heranwachsender noch ungeformter Mensch, sich Angebote bez. Gebote aus seinem sozialen Umfeld (Elternhaus, Freunde, Schule, Gesellschaft usw.) aneignet. Gemeint sind hier alle sozialen, sittlichen und ethischen Werte und Verhaltensnormen, alle Regeln des Zusammenlebens innerhalb einer Gesellschaft, inklusive aller kulturellen und religiösen Werte. Gemeint ist also die Verarbeitung und Verinnerlichung des gesamten sozialen und kulturellen Überbaus, die ein Heranwachsender zumindest teilweise leisten sollte. Das geht natürlich nicht von heute auf morgen, sondern ist das Ergebnis eines länger dauernden Aneignungs- und Verarbeitungsprozesses, bestehend aus Überprüfen und Aussortieren, aus Probieren, sich Aneignen, oder auch Verwerfen. Dieser Prozess erfordert v.a. vom Elternhaus viel Geduld, viel Bereitschaft zur Auseinandersetzung und zur Diskussion und er setzt Wohlwollen voraus und das Vertrauen in den Heranwachsenden, dass er od. sie den Weg schon finden werde. Die zweite Variante der Aneignung wäre schlicht die Anpassung des Heranwachsenden an alle geforderten Vorgaben. Meist auf Grund von äußeren Zwängen. Denn Anpassung erfolgt immer in einem Milieu von Druck, von Drohung und Strafe, erfolgt also aus Angst. (s. auch schwarz Pädagogik)

In der gestalttherapeutischen Terminologie wird unter Assimilieren dieser aktive Vorgang verstanden. Der Prozess der Aufnahme und der Verarbeitung dessen, was dem Heranwachsenden an Regeln und Normen vorgesetzt wird. Eine kritische Auseinandersetzung mit all dem Gebotenem und Verlangtem. Als Metapher dient der Vorgang der Nahrungsaufnahme und Verarbeitung. Assimilieren heißt, bildlich gesehen, gut verdauen. Also erst einmal wird das Kind “kosten, schmecken“, wird überprüfen, ob das Angebotene, das von ihm Verlangte, auch wirklich für es genießbar ist, dann muss es das zu sich genommene zerkauen, verdauen, muss es so anpassen, dass es für seinen Organismus/Psyche gut resorbierbar (integrierbar) ist. Das bedeutet, dass man ethische, religiöse, kulturelle oder moralische Vorgaben erst einmal prüft und testet bevor man sie annimmt, und die, die einem nicht passen (schmecken), entweder zurückweist, oder sie soweit für sich selber verändert, dass sie an das eigene So-Sein, wie Geschlecht oder Temperament, an die gegenwärtige Lebenssituation, oder an die aktuelle Interessenslage besser angepasst sind. Viele der elterlichen und gesellschaftlichen Vorgaben wird man auch unverändert für sich annehmen können. Um sich mit alldem, was einem vom sozialen Umfeld, von der Gesellschaft an Normen vorgegeben, oder verlangt wird, kritisch und konstruktiv auseinanderzusetzen, bedarf es einer wohlwollenden, gewährenden und respektvollen familiären Atmosphäre. Assimilieren kann man vor allem in einem angstfreien Milieu.

Eine gut integrierte Identität: Solche Aneignungsprozesse finden lebenslang statt. Haben ihren Höhepunkt aber in der Adoleszenz. Im Idealfall sollte dann am Ende dieses Prozesses das „Assimilat“ (das Verarbeitete) völlig in einem Menschen aufgegangen, also integriert sein, zu einem Teil dieser Person werden, zu einem Teil, der nicht mehr als „fremd“ erkennbar ist. Es wird zum Bestandteil seiner individuellen Identität. Insofern wird auch die gut integrierte kulturelle, religiöse (oder nicht religiöse) und ethnische Identität Teil der individuelle Identität eines Menschen. Teil seiner sog. Kernidentität. Alles Assimilierte und gut Integrierte kann dem Menschen als Ressource dienen. Das heißt: alle gemachten Erfahrung (gute, wie schlechte), die man gut verarbeiten(assimilieren) und integrieren konnte, machen einen Menschen gefestigt und sicher. Und somit sind auch alle gut integrierten! familiären, sozialen oder kulturellen Regeln, Normen, Sitten und Gebräuche ein wichtiger Rückhalt, eine Stütze, eine wichtige Orientierungshilfe im Leben, auf die man immer zurückgreifen kann.

Assimilation im sozial-politischen Diskurs bedeutet etwas Anderes. Assimilation bedeutet hier Anpassung an die Mehrheitsgesellschaft, unter Aufgabe aller eigenen kulturellen Eigenheiten. Heißt Gleichschaltung. Assimilation ist oft ein unfreiwilliger, ein erzwungener Prozess, auch wenn er "freiwillig" scheint. Meist versucht man sich eben anzupassen, um nicht "negativ" aufzufallen.

Integration heißt dagegen nur sich einzufügen in den Lebenslauf des Gastlandes, ohne dabei auf seine eigenen kulturellen Gepflogenheiten zu verzichten. Heißt, die Sprache zu lernen, die Kinder zur Schule zu schicken, arbeiten zu gehen, heißt, sich, soweit es einem möglich gemacht wird, am sozialem Leben zu beteiligen. Mit oder ohne Kopftuch, mit oder ohne Ramadan. Und heißt auch, die bestehenden Gesetze des Gastlandes zu respektieren.

Copyright Dr. Johann Lauber 2011