Die guten Menschen und Israel.

Die guten Menschen und Israel. Eine gestörte Beziehung. Eine Nachbetrachtung zu dem gewaltsamen Ende einer „humanitären Aktion“ am 31. 05. 2010.

Was läuft schief in der Beziehung zwischen den Menschen, die sich liberal, links, multikulturell, antiimperialistisch, antifaschistisch oder ganz allgemein alternativ nennen und Israel. Was läuft schief zwischen den politisch „korrekten“, den „guten“ Menschen, und diesem Land. Noch möchte ich nicht schreiben: zwischen so manchem Linken und den Juden. Ich meine dabei nicht eine Kritik an so mancher militärischen Brachialaktion Israels. An Aktionen, die auch mir oft unnötig brutal und überzogen scheinen, quasi den juristischen Tatbestand einer Notwehrüberschreitung erfüllen.

Meine erste Reaktion auf die Erstürmung des humanitären Schiffskonvois „free Gaza“ durch das israelische Militär mit dem desaströsen Ergebnis von neun toten „Friedensaktivisten“ war eine durchaus emotionale, eine, wie man so schön sagt, aus dem Bauch heraus: „Mein Gott solche Idioten. Wozu machen die so etwas!“ Zehn Minuten Nachdenken inklusive des Versuchs, die anfangs noch spärlichen Informationen einzuholen und zu sortieren, brachte mich aber schnell zu folgenden Überlegungen: Wem nützt dieser ganze Vorfall? Den armen notleidenden Einwohnern des Gazastreifens? Eher nicht. Denn schon eine frühe Information besagte: die Organisatoren dieser humanitären Aktion, die sogenannten Friedensaktivisten, lehnten das Ansinnen Israels ab, einen israelischen Hafen anzulaufen, die Schiffe dort auf Waffen überprüfen zu lassen, und dann die Hilfsgüter, um die es sich ja handelte, am Landweg weiter nach Gaza zu transportieren. Zum Wohle der palästinensischen Bevölkerung in Gaza. Und zur Beruhigung Israels, dass keine Waffen geschmuggelt werden. Warum so eine Vorgangsweise ablehnen? Aus humanitären Gründen sicher nicht. Eher aus politischen.

Aber auch die Art und Weise, wie das erste Schiff durch israelische Elitesoldaten(!!) gekapert wurde, ist mir nicht erklärlich. Idiotischer und politisch niederschmetternder hätte diese Aktion für Israel wohl kaum ausgehen können. Neun Tote!! Wozu? Dahingemetzelte Friedensaktivisten noch dazu. Ein totales PR-Desaster. Neue Munition für neue Märtyrer. Wer kann die schon brauchen? Israel? Wozu braucht Israel noch mehr islamistische Märtyrer? Nicht gut für Israel, nicht gut für die Welt. Nur gut für radikale Gruppierungen. Fragen, sehr viele Fragen. Fragen, die sich mir schon von Anfang an stellten. Mir, einem sogenannten „Altlinken“, einem solidarisch denkenden, sozial engagierten Menschen. Einem Menschen, der vielen Entscheidungen israelischer Politiker immer schon kritisch gegenüberstand. Einziger „Makel“ dieses Menschen, der sich jetzt solche Fragen stellt: Er ist selber Jude. Blöd irgendwie. Ich hätte solche Fragen lieber von vielen nichtjüdischen „Gut-Menschen“ gehört. Laut und wahrnehmbar. Wo bleibt der empörte Aufschrei der kritischen und angeblich solidarischen Linken über all diese religiösen Fanatiker, in diesem Fall der Hamas, die ihre eigene Bevölkerung in Geiselhaft hält. Die seit Jahren Raketen auf Israel abschießt. Wahllos. Auf Zivilbevölkerung. Raketen, geliefert auch vom iranischen Regime, das gerade seine eigene Opposition niederknüppelte. Wo bleibt der Aufschrei der politisch korrekten Linken über den so offensichtlichen Missbrauch des Wortes „Friedensaktivist“ oder „humanitäre Aktion“ durch eine, wie sich jetzt herausstellt, türkisch islamische Organisation, der IHH, die angeblich islamistischen Gruppen nahesteht. Ganz abgesehen davon, dass auf diesem Schiff auch Mitglieder der grauen Wölfe mitsegelten.

Und diese grauen Wölfe sind bei Gott keine Friedenslämmchen, sondern eine reaktionäre nationalistische türkische Organisation, die in vielen westeuropäischen Ländern als türkische Kulturvereine getarnt an der Verfolgung und Drangsalierung türkischer Linksintellektueller und kurdischer Aktivisten beteiligt war. Und selbst, wenn sich dies alles nur als hinterlistige Desinformationen des israelischen Geheimdienstes herausstellen sollte, wo bleibt trotzdem das entsetzte Kopfschütteln über eine humanitäre Organisation, die ihre getöteten „Genossen“ als Märtyrer feiert. Ganz zufällig waren ja alle diese neun Toten Aktivisten islamisch türkischer Gruppierungen. Als ob gerade sie es darauf angelegt hätten in den Märtyrerrang erhoben zu werden, ein quasi kollektiv herbeigeführter provozierter Suizid. Die Türkei überdenkt nun prompt ihre einstmals guten Beziehungen zu Israel, die Hamas heult ihr altes Hassgeheul, und der iranische Präsident Ahmadinedschad, ein wie wir wissen weltbekannter islamischer Humanist und Friedenspolitiker von Weltformat, bietet sich prompt an, die nächsten Hilfskonvois nach Gaza militärisch(!!) zu unterstützen. Toll, was solche türkischen Friedensaktivisten alles bewirken können.

Und die Linke schweigt größtenteils. Nein, ein bekannter schwedischer dem Humanismus verpflichteter Autor, Henning Mankell heißt er, gibt Pressekonferenzen, in denen er seine Abscheu über die Israelische Soldateska zum Ausdruck bringt. Und auch seine menschliche Empörung über die brutale Beendigung einer humanitären Aktion. Was ist nur los mit diesen guten Menschen. Ich heiße diese Israelische Aktion, so wie sie gelaufen ist, nicht gut. Neun Tote sind zu viel, auch wenn es neun Märtyrer sind. Alleine sie zu Märtyrern werden zu lassen, war schon unklug. Aber wieso so undifferenzierte Reaktionen. So einseitig. Von, wie man annehmen sollte, intelligenten, ja gebildeten und informierten Menschen. Es handelt sich doch hier nicht um dumpfe Ignoranten. Haben sich die internationalen Friedensaktivisten nicht ordentlich informiert über die Organisatoren dieser speziellen humanitären Aktion. Haben sie etwa nicht gewusst, mit wem sie sich alle an Bord dieser Friedensflottille begaben. Haben sie sich vielleicht gar missbrauchen lassen, in ihrem großen Eifer Gutes zu tun. Oder steckt vielleicht doch noch etwas anderes dahinter?

Schnitt. Seitenwechsel. Was höre ich aus meinem jüdischen Freundeskreis immer wieder. Auch jetzt: Das ist schlichtweg Antisemitismus. So kommt er daher, der moderne Antisemitismus. Gerade bei den Linken. Getarnt als Antizionismus, als Antiisrael(ismus)!

Liebe Freunde, liebe Stammesschwestern und Brüder, auch das ist mir zu billig. Und undifferenziert sind solche Aussagen ebenfalls.

Welcherart sind also all die Vor- und Anwürfe, die Israel im zunehmenden Maße auch Juden erdulden müssen? Nun zu allererst: ganz sicher gibt es ihn, den offenen und unverhohlenen Antisemitismus. Und er ist spürbar im Zunehmen. Die Angriffe und damit meine ich sowohl verbale Beschimpfungen als auch handgreifliche Attacken gegenüber Menschen, die durch ihr Aussehen als Juden erkenntlich sind, haben in den letzten Monaten rapide zugenommen, in den letzten Tagen sprunghaft. Oft, und das ist kaum überraschend, von Menschen mit moslemischen Hintergrund. Zum Beispiel von jugendlichen Türken. Aber auch „echte“ Österreicher scheinen heute nicht mehr ganz so zurückhaltend zu sein, ihrer antisemitischen Gesinnung freien Ausdruck zu verleihen. Ich glaube, dass die jüngsten Ereignisse und deren mediale Aufbereitung, dass das allgemeine Stimmungsklima es ihnen dabei immer leichter macht. Keiner braucht mehr verschämt hinter vorgehaltener Hand seine Meinung kundtun. Es wird wieder salonfähig, etwas gegen Juden zu haben. Dass oft dieselben Menschen, die ihr christliches Abendland vom Islam verschont wissen wollen, sich dann, wenn es gegen Israel, wenn es gegen die Juden geht, sich ideologisch just mit genau jenen islamistischen Hetzern verbünden, vor denen sie sich doch ständig so fürchten, ist irgendwie paradox. Logik spielt hier offensichtlich keine Rolle.

Nun ist es ja für einen normal fühlenden Menschen durchaus nicht gemütlich mit dem ganzen antisemitischen Mist konfrontiert zu werden, der offensichtlich noch immer in den Köpfen zu vieler Menschen schlummert. Viel bedrohlicher finde ich, dass die öffentliche Stimmung und Meinungsmache es heute allen diesen Menschen leicht macht, diesen Mist wieder abzusondern. Was zusätzlich noch in diversen Internetforen veröffentlich wird, entspricht meist schon dem Tatbestand der Verhetzung und nicht selten handelt es sich um unverhohlene Morddrohungen.

Gut. Das sind also die Truppen der aufgehetzten Moslems und die sind leider nicht wenige und unsere hauseigenen Antisemiten, die sich hier betätigen. Immer offener und immer unverschämter.

Was ist aber mit all den antifaschistischen, antiimperialistischen, multikulturellen Menschen? Den korrekten, den angeblich solidarischen, den guten Menschen also. Mit all jenen, die sich zum Beispiel über die unmenschliche Blockade Israels aufregen, aber nicht auch über Ägypten, das den Gazastreifen ebenfalls blockiert hat, und auch nicht über die Hamas, die jetzt schon seit Jahren Raketen auf israelische Zivilbevölkerung schießt und damit erst diese Blockade provozierte. Und mit all jenen, die jetzt bei antifaschistischen, antiimperialistischen, antizionistischen Demonstrationen (zum Beispiel in Berlin und anderen deutschen Städten) gemeinsam mit durchaus islamistischen Organisationen auf die Straße gehen, um gegen Israel zu demonstrieren. Man misst scheinbar mit zweierlei Maß. Man betreibt also „Antiisraelismus“. Ist das schon Antisemitismus? Verschleierter, indirekter Antisemitismus vielleicht?

Drei Thesen

Erste These:
Die erste betrifft vor allem Deutschland und Österreich.

65 Jahre lang haben sich Kinder und jetzt Enkelkinder für die Taten ihrer Eltern und Großeltern schämen müssen, haben sich mit den vornehmlich von Deutschen und Österreichern an den Juden, an den Zigeunern, an vielen Völkern Europas verübten Verbrechen auseinandersetzen müssen. Und nicht wenige dieser Kinder vor Allem in Deutschland und ein bisschen auch in Österreich, sind in der Auseinandersetzung mit ihren Eltern antifaschistisch, links geworden. Sie wurden vielfach zu Protagonisten der 68er Bewegung. Solidarität mit den vielen ermordeten Opfern. Vor Allem mit den jüdischen Opfern. Dieser psychische Spagat, seine Eltern, oft seine geliebten Eltern, als Mitläufer, als Mittäter oder gar als Täter von schweren Verbrechen zu verurteilen, und sich trotzdem die Kinderliebe zu diesen Eltern erhalten zu können, ist ungeheuer schwer, oft fast unmöglich. Viele haben mit ihren Eltern gebrochen. Oft aus Entsetzen, oft aus Scham den Opfern gegenüber.

„Nur, was ist heute bloß mit diesen Juden los? Die benehmen sich doch gar nicht mehr wie Opfer. Nein, wie ganz miese Täter führen die sich jetzt auf. Die unterdrücken ja die armen Palästinenser. Wozu hab ich mit meinen Eltern gebrochen. Vielleicht hatten sie ja doch recht.“

Ich bin sicher, die meisten der guten, der moralischen Menschen denken nicht in solchen Bahnen. Wenigstens bewusst nicht. Das was ich hier skizziere sind möglicherweise bei einigen Genossen unbewusste psychische Prozesse. Prozesse der Schamabwehr und des Versuchs, die Eltern oder heute oft die Großeltern zu exkulpieren. Indem ich Israel zum unmenschlichen Aggressor stemple, mildere ich die Schuld der Vorfahren. Es sind vielleicht die unbewussten Versuche von einigen glühenden Antifaschisten ein Stück der Schuld und der Scham, die auf der eigenen Familie lasten, zu minimieren. Man könnte natürlich mit entsprechender Empörung, und viele tun dies auch, solche Prozesse schon als indirekten Antisemitismus bezeichnen. Ich sehe das mehr familiendynamisch.

Zweite These: Solidarische, moralische Menschen identifizieren sich prinzipiell mit den Opfern. Und mit größter Begeisterung mit denjenigen, die sich verzweifelt wehren. Alle Befreiungsbewegungen dieser Welt kamen und kommen in den Genuss dieser Zuwendung. Dagegen ist prinzipiell nichts einzuwenden. Wer sich nicht wehrt, lebt verkehrt. Auch der junge eben entstandene Staat Israel war Objekt dieser Solidarität. Da genossen die Einwohner Israels, viele waren ja auch Überlebende des Holocausts, noch den Opferbonus. Dieses kleine eben entstandene Land überfallen von so vielen übermächtigen Gegnern, von großen damals noch feudalen arabischen Ländern, die teilweise auch noch mit Nazideutschland sympathisiert hatten, dieses kleine Land hatte alles Wohlwollen auch und gerade der Linken auf seiner Seite. Und wie tapfer sie doch gekämpft hatten, diese Juden. David gegen Goliath. Dieses Wohlwollen haben die Israelis aber bald wieder verspielt. Die Palästinenser wurden die neuen Opfer. Und Israel der böse Täter. Die Palästinenser, die 1948 ihr Land teils in Scharen freiwillig verließen, teils auch unter dem Druck der jüdischen Untergrundorganisation Irgun geflüchtet waren, wurden einmal in großen Lagern aufgefangen. Und dort blieben sie auch weiterhin, als Spielball internationaler Politik. Die arabischen, die sogenannten „Bruderländer“ starteten keine Integrationsprogramme für diese armen Flüchtlinge, so wie es zum Beispiel Deutschland oder Österreich für die vertriebenen Sudetendeutschen tat. In elenden Flüchtlingslagern sollten sie darben, die ihrer Heimat beraubten Palästinenser als Faustpfand gegen Israel. Kein arabisches Land wollte sie aufnehmen. Groß genug wären diese Länder wohl gewesen. Daran konnte es nicht liegen. Träumen sollten sie ständig die armen Flüchtlinge von der okkupierten Heimat, in die sie wieder unbedingt zurückkehren sollten. Ich möchte niemandem seine Träume absprechen. Auch viele Sudetendeutsche träumten jahrzehntelang von der Rückkehr in die alte Heimat. Doch trotzdem wurden sie in den Gastländern anstandslos integriert. Und kein Linker hat sich für das Rückkehrrecht der Sudetendeutschen je ein Bein ausgerissen. Die damals kommunistisch regierte Tschechoslowakei wollte diese Sudetendeutschen garantiert nicht zurückhaben. Viele von ihnen, nicht alle, hatten in den finsteren Zeiten all zu offensichtlich mit den Nazis sympathisiert. Teilweise waren sie auch Täter. Und Israel, dieses böse Israel, wollte die Palästinenser, Menschen, die dem Staate Israel die Existenzberechtigung absprachen, auch nicht mehr zurückhaben. Das nahmen schon damals viele Linke Israel sehr übel. Dann kam noch der „Sechstagekrieg“, wo Israel die Westbank und die Sinaihalbinsel besetzte, und aus dem ehemals heldenhaften Opfern wurden Täter. Schrittweise wandelte sich das Bild Israels, in den Augen vieler Linken zu einem aggressiven, reaktionären Land, einem Büttel der imperialistischen Großmacht USA. Die meist uneingeschränkten Sympathien der guten Menschen galten von nun ab den geflüchteten Palästinensern, den neuen Opfern. An dieser undifferenzierten Wahrnehmung hat sich bis heute nicht viel geändert. Hier die „guten“ Armen, da die übermächtigen Täter. Die Bösen eben. Auch „linke Menschen“ sind nicht gefeit vor vereinfachendem Schwarz-Weiß-Denken. Ganz im Gegenteil. Oft schon hat das Verfolgen einer Idee, bei entsprechender psychischer Konstellation ihrer Verfechter, und auch entsprechendem Zeitgeist, fanatische Züge angenommen. Dabei ist es leider ziemlich egal, ob diese Idee eine moralisch hochwertige ist oder nicht. Oder, ob sie als politische Idee, wie zum Beispiel der Marxismus oder Internationalismus oder als eine religiöse, wie zum Beispiel heute der Islam, oder ob sie gar als eine nationalistisch rassistische Idee daherkommt. Ein unverkennbares Markenzeichen des Fanatismus ist das undifferenzierte Denken. Und bei so manchen linken guten Menschen gilt eben die oft ungeteilte, sprich unkritische Sympathie, fast immer den Opfern. Und natürlich allen ihren Unterstützern. Und die sind, was die Palästinenser betrifft, oft mehr als fragwürdig. Das haben die jüngsten Vorfälle wieder deutlich gezeigt. Man könnte beinahe sagen, die lauthalsen Unterstützer sind es oft, die das Problem am Leben erhalten. Irans famoser Präsident zum Beispiel Ich möchte gar nicht daran denken, was nicht nur auf Israel, sondern auf die Welt zukommt, wenn dieser Mensch all seine Ankündigungen wahr machen sollte.

Dritte These: Natürlich gibt es auch einen latenten über die Jahrhunderte gepflegten christlich-abendländischen und einen etwas jüngeren islamischen Antisemitismus, der die Gehirne und die Gedanken vieler Menschen seit Generationen schleichend vergiftet. Oft ganz subtil. Nicht immer laut und brüllend. Und wieso sollten geraden die Linken davor immun sein. Kein Mensch ist gefeit vor ein bisschen Alltagsrassismus. Ich habe zum Beispiel jahrelang auf die „Amis“ geschimpft und meinte doch nur die Regierung Bush oder Reagan. Warum sollten gerade gute Menschen bei Juden eine Ausnahme machen. Da treffe ich doch vor nicht allzu langer Zeit einen alten Freund, einen ehemals sehr engagierten Linken. Quasi einen alten „Kampfgefährten“. Der war damals beinahe schon ein bisschen radikal. Verbal wenigstens. Jetzt aber politisch eher schon im Ruhestand. Er fragt mich, ob das Gerücht stimme, dass meine Eltern sich am jüdischen Friedhof begraben lassen wollen. Meine säkularen, linken Eltern, die er als aktive Antifaschisten kennengelernt und verehrt hatte. Ich bejahe dies und versuche eine Erklärung zu geben: Ich sage etwas über Identität im Allgemeinen und jüdische Identität im Konkreten und das Bedürfnis dort begraben zu werden, wo auch schon die Eltern begraben sind. Am jüdischen Friedhof eben. „Da dürft ihr euch nicht wundern, dass die Leute was gegen euch haben, wenn Ihr Juden immer was Besonderes sein wollt!“ So kommt er daher, der unreflektierte Antisemitismus. Und, wie ich meinen linken Freund kenne, er wäre garantiert empört darüber, wenn ich ihn dessen beschuldigen würde.

Ich mache mir große Sorgen um die Sicherheitspolitik, die die gegenwärtige Regierung Israels vertritt. Sie gefällt mir nicht. Und ich verstehe sie nicht. Außer, und dieser Gedanke gefällt mir noch viel weniger, diese gegenwärtige Regierung will eine Verschärfung der Situation. Denn auch in Israel kann man durchaus Fanatiker finden. Innenpolitisch sind einige recht erfolgreich. Mein Liebermann - erschreckend erfolgreich. Und solche Menschen, solche politischen Führer, brauchen für ihr politisches Überleben Eskalation. Überall auf der Welt. Hüben wie drüben. Sie brauchen einander. Sie sichern sich so gegenseitig ihre politische Existenz. Auf Kosten derer, für deren Wohl, für deren Sicherheit sie angeblich eintreten.

Auch ich habe Sympathien, derzeit eher Mitleid mit den palästinensischen Menschen. Nicht aber mit denjenigen ihrer politischen Vertreter, die dem Staate Israel und den dort lebenden Juden das Existenzrecht absprechen. Ich wünsche dieser Region ein Leben frei von Extremisten und Fanatikern. Auf beiden Seiten. Und ich wünsche mir in Zukunft möglichst wenige Auftritte der guten, vielleicht naiven Menschen, die sich von Extremisten instrumentalisieren lassen. Wenn doch der Herr Mankell so gut recherchiert hätte, wie es sein Kommissar Wallander vermag, dann hätte er sich vielleicht gar nicht auf eines dieser Friedensschiffe begeben. Außer, aber das wage ich ja gar nicht zu denken, wo ich ihn bis jetzt doch so geschätzt habe, er hat es aus vollster Überzeugung getan.

Copyright Dr. Johann Lauber 2011